Aus dem Stadtarchiv: Blick auf besondere Jubiläen und Gedenktage 2025


Das Stadtarchiv hat sich wieder mal auf Spurensuche begeben – und ist fündig geworden! Im ersten Teil der Vorschau auf die bedeutendsten Jubiläumsdaten 2025 gibt Stadtarchivarin Sylvia Goldhammer einen Querblick über die Ereignisse in Oberursel vor 500 Jahren.

 

500 Jahre Reformation in Oberursel – 500 Jahre Bauernkrieg in Deutschland – auch in Oberursel?

1517 hatte Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen an die Schlosskirche angeschlagen und damit den schon lange überfälligen Reformprozess der katholischen Kirche ausgelöst. Seitdem verbreitete sich in Deutschland beständig die Reformation. Das Ringen um die rechte Religion zwischen Kaiser und Fürsten wurde erst im Augsburger Religionsfrieden 1555 beendet. Ab diesem Zeitpunkt bestimmte endgültig der Landesherr die Religion – cuius regio, eius religio.

Aufgrund der engen Verflechtung von kirchlicher und politischer Gesellschaftsform mischte sich die reformatorische Bewegung bald mit sozialpolitischen Protesten und Forderungen des Bauernstandes und beeinflusste so eine sich ab 1524 vom Südwesten Deutschlands ausbreitende Bewegung, die als deutscher Bauernkrieg bezeichnet wird. Grundlagendokument waren die Memminger zwölf Artikel, die z. B. die Aufhebung der Leibeigenschaft, freie Pfarrerwahl Senkung der Abgabenlast oder Begrenzung der Frondienste forderten. Der Bauernkrieg verlief regional in unterschiedlicher Heftigkeit und Brutalität. Die vorhergehenden Ereignisse reichen bis an das Ende des 15. Jahrhunderts zurück

Wie war es in Oberursel?

Nach kurzer Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Anhängern Luthers begann 1525 die Reformation in Oberursel. Bommersheim, Stierstadt und Weißkirchen schlossen sich an. Oberstedten unterstand einem anderen Landesherrn, den Landgrafen von Hessen. Hier wurde die Reformation 1526 eingeführt.

Der katholischen Pfarrer Johannes Rau wurde vertrieben und man wählte kurzerhand Dietrich Sartorius, auch Dietrich von Nassau genannt, der zuvor in Frankfurt an der Katharinenkirche nach der lutherischen Weise gepredigt hatte, zum ersten evangelischen Pfarrer. Die Oberurseler Gemeinde verweigerte fortan die Zehntzahlungen an das Frankfurter St. Bartholomäusstift als Zehntberechtigten. Fortan bestimmte die Gemeinde den Pfarrer selbst und ließ ihn durch den Grafen in Königstein ernennen. Graf Eberhard verteilte die Zehnteinnahmen neu.

Oberursel war der erste und wichtigste Ort in der Grafschaft Königstein, der sich „den Lutherischen“ anschloss und bis 1604 evangelisch blieb. Im Taunus-Umland bekannte sich bereits sehr früh eine Gruppe Adeliger zur Reformation. Wortführer war Hartmut von Kronberg, der bereits 1522 die evangelische Religion in Kronberg und Eschborn einführte.

Den Boden zum Eindringen reformatorischer Ideen hatte bereits Anfang des 16. Jahrhunderts eine kleine Bildungsbürgerschicht aus Humanisten und Anhängern des Erasmus von Rotterdam gelegt, die mit Frankfurter Bürgern und Gelehrten in Austausch stand. Eine zentrale Rolle spielte die Bommersheimer Familie Reiffenstein mit dem Schultheißen Wilhelm Curio Reiffenstein und seinen Söhnen. Hier sind vor allem die Söhne Philipp und Georg hervorgetreten. Der Humanismus war eine Bildungsreform. Philipp Reiffenstein stand in engem Kontakt zu Dr. Jacob Mycillus, Lehrer der Frankfurter Lateinschule. Man plante auch in Oberursel eine solche zu gründen und suchte dafür nach einer geeigneten Persönlichkeit. Hier trafen sich bereits Übereinstimmungen mit den Ansichten der Reformatoren.

Der katholische Stadtherr, Eberhard IV. von Eppstein-Königstein, griff in diese Entwicklung nicht ein. Ganz im Gegenteil, Philipp Reiffenstein, Sohn des erwähnten Bommersheimer Schultheißen, war Rat und enger Vertrauter des Grafen. 1529 übergab er ihm die Oberurseler „Burg“ mit Erträgnissen. Bis zu seinem Tod 1551 blieb Reiffenstein Amtmann und Schultheiß in Oberursel.

Hinzu kam, dass sein designierter Nachfolger, sein am Hof in Königstein lebender Neffe Ludwig von Stolberg-Wernigerode, ebenfalls ein Anhänger Martin Luthers war. 1520/21 studierte Ludwig in Wittenberg und hörte Vorlesungen von Luther und Philipp Melanchthon. Gleichzeitig mit Graf Ludwig studierte auch der aus Bruchenbrücken (heute ein Stadtteil Friedbergs in der Wetterau) stammende Erasmus Alber in Wittenberg. Dessen Onkel Henne wiederum war Schultheiß in Oberursel. Durch dieses Netzwerk wurde Alber als Lehrer beauftragt. Die Anfänge der Lateinschule liegen in dieser Zeit, auch wenn es nach neueren Forschungen noch nicht zu einer dauerhaften Einrichtung derselben kam.

Die allgemeine Kritik an der Kirche, an der unchristlichen Lebensweise vieler Geistlicher, am Ablasshandel, wurde auch in Oberursel geteilt. Es bildeten sich – wie auch andernorts – evangelische Bruderschaften, die sich auf Luthers Schriften beriefen und ihre sozialpolitischen Forderungen nach göttlichem Recht und der Bibel begründeten. In Oberursel stand der Bürger Heinrich Kremer der Junge an der Spitze. Diese Bruderschaft war eng mit den Frankfurter evangelischen Brüdern verbunden und übernahm auch deren Forderungsartikel, Befreiung von Zehntabgaben, Befreiung von kirchlicher Rechtsprechung oder freier Wahl der Geistlichen, Predigten nach dem Wort der Bibel etc.

 Im hessischen Raum kam es nicht zu solchen Ausschreitungen, wie es z. B. aus dem Oberrheingebiet, Württemberg, Oberschwaben, Franken oder Thüringen bekannt ist. Der Bauernkrieg hatte hier drei Zentren, Kurmainz, die Reichsstadt Frankfurt sowie das engere Gebiet um Fulda und Hersfeld. Die Grafen von Eppstein hatten sich mit anderen im Wetterauer Grafenbund zusammengeschlossen und waren schon länger gegen Missbräuche der katholischen Kirche vorgegangen. Ein großer Teil hatte sich bereits der lutherischen Lehre angeschlossen. Es kam daher zu keinem größeren Aufstand, jedoch rüsteten sie sich militärisch auf und unterstützten benachbarte Grafschaften. Am wenigsten betroffen, waren die Gebiete der Landgrafschaft Hessen.

Ludwig von Stolberg übernahm 1535 die Herrschaft und bestimmte dann 1540 offiziell die evangelische Lehre in der Grafschaft Königstein. 1563 führte er die von Wolfgang Pfalzgraf bei Rhein 1557 verfasste Kirchen- und Schulordnung ein. Nach dem Tod Christophs von Stolberg, ein Bruder Ludwigs, im Jahr 1581 fiel die Grafschaft an das Kurfürstentum Mainz. 1604 erfolgte unter Johann Schweikard von Kronberg, Kurfürst von Mainz, die Rekatholisierung.

 

Antje Runge

Bürgermeisterin


Foto:  Titelseite der Kirchenordnung von 1563, gedruckt in der Oberurseler Druckerei des Nicolaus Henricus, ein sogenannter Ursellis-Druck, Bildrechte: Stadtarchiv Oberursel.