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Lichtblick in die friedvolle Zukunft
Pressebericht der Oberurseler Feldbergschule
OBERURSEL/VERDUN Delegation aus Oberursel erneut bei der Teilung der Ewigen Flamme der Erinnerung
Die französische Ewige Flamme erneut im Hochtaunuskreis
Das zweite Jahr in Folge wurde am Volkstrauertag in Oberursel die Ewige Flamme der Erinnerung aus Frankreich feierlich auf dem Alten Friedhof niedergestellt. 1923 von André Maginot entzündet, brennt die Flamme tagtäglich unterhalb des Triumphbogens am Grab des unbekannten französischen Soldaten in Paris. November für November wird sie seit 1980 durch den Verein Comité de la Voie Sacrée von der französischen Hauptstadt nach Verdun gebracht und in dieser Stadt am 10. November feierlich geteilt.
Auch in diesem Jahr nahm eine Delegation aus Oberursel im Rahmen des Projekts „Geschichte. Gemeinsam. Gestalten.“ der Feldbergschule an der Zeremonie der Teilung der Ewigen Flamme der Erinnerung in Verdun teil. In ihrer Ansprache am Volkstrauertag betonte die Schule die symbolische Bedeutung der Flamme: Sie stehe auch für die deutsch-französische Verständigung, den europäischen Zusammenhalt sowie für die Kraft von Mitgefühl und Menschlichkeit in Zeiten von Verzweiflung und Ausweglosigkeit.
Auf den Schlachtfeldern von Verdun
Bei nasskalten Wetter und von dichter Nebeldecke umhüllt erkundete die Delegation drei Tage lang die Schlachtfelder von Verdun. Sie besichtigte Zwischenwerke, Trichterlandschaften, zerbombte Unterstände und zerstörte Dörfer – Orte, von denen „nicht mehr viel übrig geblieben ist außer der Geschichte“ – Orte, die heute vor allem Mahnmäler des Krieges sind.
Über die Schlachtfelder von Verdun führten die Delegation die Schülerinnen und Schüler der Feldbergschule – Raphael Bähr, Fariha Butt, Eray Cevik und Nele Herscher – zusammen mit dem Projektpaten Adrien Meurer sowie den Projektleiterinnen Dr. Katarzyna Glowalla und Magdalena Naumann. Dabei gestaltete die Projektgruppe vielfältige und mehrperspektivische Zugänge. Den Stadtverordneten Dietrich Andernach beeindruckte die Fähigkeit der jungen Erwachsenen, „sich in das Leid der jungen Soldaten hineinzuversetzen.“ Auch Stabsfeldwebel Michael Allenstein würdigt die besondere Rolle der jungen Erwachsenen im Projekt. Für den Vertreter des Kreisverbindungskommandos des Hochtaunuskreises „haben die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt gestanden und ihre Sache exzellent gemacht.“
Begegnung gestalten
Außer der Begegnung mit der Vergangenheit stellt der Austausch zwischen Menschen, die verschiedenen Generationen, Berufsgruppen und Lebensphasen angehören, einen wichtigen Aspekt des schulischen Projektes dar. So begleiteten neben den bereits erwähnten Mitgliedern der diesjährigen Delegation auch der stellvertretende Schulleiter der Feldbergschule, Jan Kaiser, und Oberstudienrat Christoph Weissbach die Projektgruppe, während Oberstleutnant der Reserve Onno Onneken und Hauptmann der Reserve Dr. Benedikt von Schorlemer die insgesamt dreiköpfige Vertretung des Kreisverbindungskommandos vervollständigten. Außer Dietrich Andernacht nahmen als Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Oberursel auch Jens Uhlig (Erster Stadtrat und Stadtkämmerer), Jutta Niesel-Heinrichs (Stadträtin), Winfried Abt (Stadtrat) und Mathias Brand (stellvertretender Geschäftsbereichsleiter Kultur und Gesellschaft, Stadtverwaltung) an der Delegationsfahrt teil. Ihr Mitglied war außerdem Joachim Netz, der 2. Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Oberurseler Städtepartnerschaften. Vertreterinnen und Vertreter der Oberurseler Partnerstadt Épinay-sur-Seine, unter ihnen auch fünf Mitglieder des Jugendrates der Stadt, schlossen sich vor Ort der Delegation aus Oberursel an.
Während der Delegationsfahrt förderte eben die Ausgestaltung des Programms den Dialog zwischen den Generationen, die auch das Lernen voneinander in den Mittelpunkt stellte. Joachim Netz hebt hervor, wie schnell aus Fremden eine Gruppe geworden sei, und Michael Allenstein, wie gut die Zusammenarbeit gewesen sei. Er fährt fort: „Die Momente, in denen wir an den Stationen gemeinschaftlich gearbeitet haben, waren ein echter Zugewinn.“ Mathias Brand beschreibt das entstandene Gemeinschaftsgefühl als „unglaublich” und auch Fariha Butt staunt im Nachhinein über „die tiefgründigen und interessanten Gespräche“, die sie während der gemeinsamen Tage mit Menschen führte, mit denen sie im Alltag womöglich nicht in Kontakt gekommen wäre. Nele Herscher schließt sich diesen Worten an. Die Kommunikation, Unterstützung und vor allem der Zusammenhalt in der Gruppe habe auch sie sehr erfüllt und die Fahrt für sie nochmal wertvoller gemacht. Der Austausch mit anfangs Fremden, die schnell zu Bekannten wurden, empfindet die Schülerin als immens wertvoll und horizonterweiternd.
Die intensive Auseinandersetzung mit Krieg und Zerstörung brachte neben dem Austausch auch viele Momente des Miteinanders, des Gedenkens und der Stille hervor. Sie weckte häufig eine tiefe Dankbarkeit für das, was heute als selbstverständlich angesehen werden mag – sauberes Wasser, warme Kleidung, das eigene Zuhause – „das Leben [...] in Frieden, ohne Angst vor dem Tod, das für die Soldaten damals undenkbar [war]“, so Fariha Butt. Auch Eray Cevik habe die Delegationsfahrt eine neue Form der Wertschätzung erfahren lassen: Das dort Gesehene und Gefühlte lasse die eigenen Probleme im Alltag banal wirken, auch wenn sie weiterhin ernstzunehmen seien. Und auch die Schule wirke seither mehr wie ein Privileg als eine Pflicht. Joachim Netz bestärkten hingegen die Eindrücke der drei Tage vor allem darin, „weiterhin engagiert für Frieden und Freiheit einzutreten.“
Gedenken mit Leben füllen
„Als ich die Aufgabe erhielt, hier heute zu sprechen und Karl Bender zu gedenken, kam ich zunächst nicht voran, denn hinter jedem Soldaten steckt ein Mensch und den Menschen Karl Bender kennen wir nicht“, vertraut Eray Cevik der Delegation in seiner Rede an. Und doch findet er einen Zugang zu dem Stierstädter, der gleich zu Beginn der Schlacht um Verdun 1916 gefallen ist. Er schafft Parallelen zwischen Karl Bender und den Mitgliedern der Delegation, indem er annimmt, dass auch der Stierstädter Karl Bender Träume hatte, Schmetterlinge im Bauch verspürte und die Erinnerung an seinen ersten Kuss in sich trug. Es beschäftigt auch Cevik in seiner Rede, was es bedeutet, „gefallen zu sein“. Eindringlich verdeutlicht er: „Es bedeutet, seinen Kindern keinen Gutenachtkuss zu geben, sie vor dem Monster im Kleiderschrank nicht zu beschützen, ihnen nicht aufzuhelfen, wenn sie „gefallen“ sind.“ Jutta Niesel-Heinrichs erinnert sich an dieses Gedenken im Besonderen zurück: „Als wir des gefallenen Stierstädter Soldaten Karl Bender im Caures-Wald gedachten, bekam das Grauen der Schlacht von Verdun, in der ca. 700.000 deutsche und französische Männer unter unfassbaren Bedingungen kämpften und fielen, auf einmal ein besonderes Gesicht. Und dies, obwohl in fast allen deutschen Familien, auch in meiner, Verwandte im Ersten Weltkrieg an der Front starben.“
Nicht nur die Rede des Schulsprechers der Feldbergschule berührte gleich am ersten Tag der Delegationsfahrt. Das Gedenken an Karl Bender endete mit dem Verstreuen der aus Oberursel und Épinay mitgebrachten Erde, was unter anderem von Mathias Brand, Dietrich Andernacht, Joachim Netz stark erlebt wurde. „Dass sich dann ganz spontan jeweils französische und deutsche Paare fanden, um die Erde auszubreiten, war ein besonders emotionaler Moment“, so Joachim Netz.
Für die schulische Projektgruppe war bereits die einzigartige Zusammenarbeit mit Onno Onneken während der Vorbereitung auf die Fahrt und die einmaligen Einblicke in seine Familiengeschichte besonders bereichernd. Auch die gesamte Delegation durfte an den Orten des vergangenen Geschehens unter anderen an den eindringlichen Auszügen aus der Feldpost seines Großvaters Otto Onneken an seine Familie – persönlichen und berührenden Zeugnissen – teilhaben, die dieser 1916 vor Verdun verfasst hatte.
Wie eng die Geschichte Verduns mit der Geschichte und den Menschen Oberursels verbunden ist, wurde auch deutlich, als nach Gesprächen beim Abendessen über Oberurseler Kinos am nächsten Morgen Wilhelm Neuhoff gedacht wurde: Neuhoff, späterer Führer der 10. Kompanie des Füsilier-Regiments Nr. 80, der auch Otto Onneken angehörte, verlor in Verdun sein Leben. Er kam im Gasthaus „Zum Bären“, in dem später eben die erste Lichtspielbühne in der Taunusstadt errichtet wurde, auf die Welt.
Die lokalen Bezüge sind ein zentrales Element der Fahrt. Die beiden Projektleiterinnen Dr. Katarzyna Glowalla und Magdalena Naumann legen großen Wert darauf, diese Verbindungen sichtbar zu machen, sie nicht nur greifbarer, sondern auch persönlicher zu gestalten: Die Erlebnisse und Schicksale der Menschen im Ersten Weltkrieg seien auch die der Menschen aus der eigenen Region.
Seite an Seite
In diesem Jahr wurde der Delegation aus Oberursel eine besondere Ehre zuteil: Im Beinhaus Douaumont, vor dem während einer Gedenkzeremonie 1984 François Mitterand und Helmut Kohl Hand in Hand standen, durfte sie nun gemeinsam mit ihrer Partnerstadt und einer Vertretung aus dem Kreis Darmstadt-Dieburg gedenken. Dazu gehörte neben der Niederlegung der Gedenkkränze und dem Ertönen der französischen und deutschen Nationalhymne auch das feierliche Anzünden der dortigen Flamme der Erinnerung. Diese Aufgabe, die sonst oft nur Staatsoberhäuptern vorbehalten ist, wurde dem Landrat aus Darmstadt-Dieburg sowie jeweils einem Jugendlichen aus den drei beteiligten Gemeinden anvertraut. Gleichermaßen bedeutsam war die Gedenkfeier im Beinhaus für den Verdun-Experten Pierre Lenhard, ohne dessen persönlichen Einsatz und Engagement für die deutsch-französische Verständigung dies nicht möglich wäre.
„Mich hat erstaunt, wie intensiv das Ende des Ersten Weltkriegs in Frankreichs „gefeiert“ wird und wie stark die „Grande Guerre“ im historischen Gedächtnis der Franzosen verankert ist“, konstatiert Jutta Niesel-Heinrichs. Und doch gilt herauszustellen, wie herzlich auch bei offiziellen französischen Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 11. Novembers das Zusammenkommen der einst verfeindeten Nationen begrüßt wird. So war die Teilnahme der Delegation aus Oberursel und Épinay an der von dem Verein Souvenir Français de Verdun-Charny ausgetragenen Feier zum Gedenken an die sieben unbekannten Soldaten, die einst in Verdun nicht für das Grab unter dem Triumphbogen ausgewählt wurden, ein ganz besonderer Moment für Onno Onneken. An einem so symbolträchtigen Ort wie Verdun, sei es ein starkes Zeichen, so deutlich spüren zu dürfen, wie sehr „wir in deutscher Uniform willkommen waren.“
Ein nicht weniger starkes Zeichen der Versöhnung und der Freundschaft ist auch die diesjährige Teilnahme der Delegation an der feierlichen Teilung der Ewigen Flamme der Erinnerung am 10. November, für welche ein besonderer Dank dem Comité de la Voie Sacrée und Pierre Lenhard gilt. Die Schülerinnen und Schüler der Feldbergschule – stellvertretend für Oberursel, den Hochtaunuskreis und ihre Generation – nahmen gemeinsam mit Jens Uhlig als Vertreter der Stadt Oberursel, Onno Onneken als Vertreter des Kreisverbindungskommandos des Hochtaunuskreises und Jan Kaiser als stellvertretender Schulleiter die Flamme als Symbol des gemeinsamen Engagements für Frieden und Verständigung entgegennehmen. „Dass Oberursel als deutsche Gemeinde die Flamme von Verdun nach Deutschland bringen durfte,“ sei für Niesel-Heinrichs ein wichtiger Schritt zur Verstärkung des Gedenkens „an die Millionen von Toten im Ersten Weltkrieg auch in Deutschland.“
Im Anschluss an die Zeremonie bedankte sich der erste Stadtrat Jens Uhlig im Namen der Stadt bei Katarzyna Glowalla und Magdalena Naumann, die als Initiatorinnen dieses Projekt und die Delegationsfahrt ermöglicht haben. „Ohne ihren Einsatz wäre ein solches Projekt nicht denkbar. Ich war vor vielen Jahren bereits einmal in Verdun. Die Vorbereitung mit Zitaten von Soldaten, die wir auf dem Schlachtfeld gemeinsam gelesen haben und die Vorträge der Schüler haben die gemeinsame Zeit in Verdun zu einem intensiven Erlebnis gemacht. Alle Teilnehmer konnten spüren, dass auch die Schüler viel Herzblut in ihre emotionalen Essays gesteckt haben. Ich hoffe, dass dieses tolle Projekt weitergeführt wird damit möglichst viele Jugendliche von dieser Erfahrung profitieren können.“
Vergangenheit und Gegenwart
Am letzten Tag der Delegationsfahrt führte Adrien Meurer die Gruppe souverän und kompetent um und durch das Fort Douaumont, Ziel deutscher Angriffe und französischer Verteidigung, die horrende Opfer forderten. In dem imposanten Bollwerk, unterhalb der Erde, gedachten Onneken, Schorlemer und Allenstein zusammen mit den Anwesenden in einer stillen Gedenkminute, mit der Kranzniederlegung und militärischem Gruß etwa 700 deutschen Soldaten, die im Mai 1916 bei einem tragischen Explosionsunglück ihr Leben verloren hatten. Aufgrund von Beschuss im Fort wurden ihre Körper in einer Kasematte liegen gelassen und zugemauert. Ein schlichtes Kreuz mit der Inschrift „Den toten Kameraden“ erinnerte vor dem unterirdischen Friedhof an das Vergangene und verwies zugleich auf die Symbolkraft des gegenwärtigen Momentes, in welchem Zivilisten mit dem Militär Schulter an Schulter den Gefallenen die Ehre erweisen, gemeinsam gedenken und für den Frieden einstehen.
In dem anschließend besuchten zerstörten und nicht wiederaufgebauten Dorf Fleury wurden auch die zivilen Opfer zum Thema. „Schule“, „Farm“, „Haus“ – nur die Schilder „helfen hier der Fantasie, ein einst funktionierendes Dorf mit Menschen, Freunden und Familien zu imaginieren.“ „Der Kontrast zwischen dem Vergangenen und der Gegenwart sei erschreckend und präge nachhaltig ein. Für Eray Cevik bedeutet das auch, bestrebt zu sein, „sich sowohl mit der Geschichte als auch den Ereignissen der heutigen Zeit zu beschäftigen.“ Nele Herscher schließt sich seinen Überlegungen an: Die Fahrt habe auf vielen Ebenen neue Blickwinkel eröffnet, sie helfe die gegenwärtige Welt besser verstehen und schärfe auch das Bewusstsein für die Gefahr, die in unseren heutigen Krisen und Entwicklungen liege.
Fotos: Magdalena Naumann