Oberursel gedenkt am 8. Mai


Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa. Damit wurde am 8. Mai in Oberursel dem Ende eines fürchterlichen Krieges und der Befreiung von der menschenverachtenden nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht. Eingeladen hatte die Initiative Opferdenkmal e.V. an das Denkmal zur Erinnerung aller Opfer des Nationalsozialismus in Oberursel auf dem Platz der Hospitalkirche. Redebeiträge erfolgten durch die Vorsitzende der Initiative Anette Andernacht, Oberursels Bürgermeisterin Antje Runge, die Bürgermeistern aus Koggenland, Monique Bonsen-Lemmers (Niederlande) und Schülerinnen und Schüler der Feldbergschule.

In ihrer Rede hob Bürgermeisterin Antje Runge hervor: „Der 8. Mai steht in diesem Jahr insbesondere für die Demokratie, da unser Grundgesetz 75jährigen Geburtstag feiert. Gleichzeitig erinnert er uns als Tag der Befreiung von Tyrannei, Unterdrückung und faschistischer Herrschaft daran, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Bewahrung der Menschenrechte niemals als selbstverständlich angesehen werden dürfen und dass wir diese jeden Tag aufs Neue verteidigen müssen. Wir dürfen niemals zulassen, dass totalitäre Ideologien, autoritäre Strömungen und rechtsextreme Bewegungen wieder Fuß fassen. Leider gibt es weltweit und auch vor Ort vermehrt Angriffe auf die Demokratie. Manchem fällt es schwer, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren oder rechtliche Regeln anzuerkennen. Wer die eigene Meinung zu der einzigen Lösung macht, der destabilisiert die demokratische Grundordnung. Wir müssen gemeinsam gegen jede Form von Extremismus, Rassismus, Intoleranz, Hass und Hetze vorgehen, die die Grundlagen unserer Demokratie untergraben. Dafür müssen wir auch die junge Generation sensibilisieren. Lassen Sie uns zusammen für Frieden und Völkerverständigung in der Welt eintreten und für unsere Demokratie einstehen, für eine Zukunft, die auf den Werten von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit basiert. Wir stehen zusammen und weichen nicht. Wir verteidigen unser weltoffenes und vielfältiges Oberursel. Wir leben friedlich zusammen und setzen uns für eine freie Gesellschaft ein. Nie wieder ist jetzt.“

Zuversichtlich zeigte sich Runge, dass auch Schülerinnen und Schüler der Feldbergschule an der Gedenkstunde teilnahmen und zusammen mit ihrem Geschichtslehrer einen eigenen Redebeitrag vorbereitet hatten. Die Feldbergschule, welche sich seit Jahren in dem Projekt „Stolpersteine“ engagiert und mit der Stadt, der GCJZ (Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus e. V.) und der Initiative Opferdenkmal bereits mehrere Stolpersteine in Oberursel verlegt hat, ist auch „Schule gegen Rassismus mit Courage“.

Weiterhin betonte Bürgermeisterin Runge die Bedeutung der Städtepartnerschaften: „Ohne die Bereitschaft zur Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner und der damals besetzten Länder, hätte Deutschland den Weg zurück in die Völkergemeinschaft und in die Mitte Europas nicht geschafft.  Mit Städten aus den Ländern der vier Alliierten, die Deutschland am 8. Mai 1945 befreiten und damit Europa den lang ersehnten Frieden brachten, ging Oberursel in der Vergangenheit eine Städtepartnerschaft ein. Durch die Begegnungen von Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlicher Nationen wurde das friedliche Zusammenleben in Europa gefördert.“

2024 feiert Oberursel (Taunus) gleich drei große Jubiläen mit seinen internationalen Städtepartnern, 60 Jahre mit Épinay-sur-Seine in Frankreich, 35 Jahre mit Rushmoor in Großbritannien und 20 Jahre mit Lomonossov in Russland, wo die offiziellen Kontakte aufgrund des russischen Angriffkrieges auf die Ukraine derzeit ruhen.

Es besteht auch eine Partnerschaft zwischen Oberursels Stadtteil Stierstadt und dem Stadtteil Ursem (Gemeinde Koggenland) in den Niederlanden, welche seit 1971 gepflegt wird. Die Niederlande, welche fünf Jahre Besatzung unter den Nazis von 1940 bis 1945 ertragen mussten, hatten lange Zeit ein schwieriges Verhältnis zu den Deutschen. Darum ist es umso erfreulicher, dass seit vielen Jahren der freundschaftliche Kontakt besteht und gepflegt wird und die Bürgermeisterin aus Ursem, Monique Bonsen-Lemmers, mit einer Delegation aus Politik und Verwaltung zum Austausch in Oberursel (Taunus) ist und auch an der Gedenkfeier teilnahm.  Sie erklärte in ihrer Rede „Wie bereits in früheren Jahren widmen wir uns heute Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg, damit wir nicht vergessen, wie fragil unsere Freiheit ist. Es ist schön, dies an diesem Ort gemeinsam tun zu können. Geschichten, die wir uns aufmerksam anhören sollten. Das gilt für die Geschichten, die wir in Westfriesland und insbesondere in unserer Gemeinde, in unserem Dorf hören, wie auch für die Geschichten aus Stierstadt, Oberursel. Unterschiedliche Geschichten, doch im Kern gleichen sie sich: Bombenabwürfe, Zerstörung, Hunger, Angst, Verlust, Leid. All diese Emotionen, die wir teilen. Die Folgen des Krieges sind über Generationen spürbar. Das niederländische Fernsehen widmet sich diesem Thema in einer Dokumentarfilmreihe mit dem Titel „Oorlog is erfelijk – Krieg ist erblich. Gedenken ist nicht passiv, nicht nur eine Beschäftigung damit, was passiert ist. Es geht darum, eine Verbindung zum Jetzt herzustellen, und zur Zukunft. In unseren eigenen Ländern und über unsere Grenzen hinweg.“

Alle Beteiligten sind stolz darauf, dass die Partnerschaften sehr zur gegenseitigen Verständigung beigetragen  und bis heute sehr lebendig und aktiv mit Leben gefüllt werden. Städtepartnerschaft bedeutet gelebtes Europa. Dafür dankte Bürgermeisterin Runge den ehrenamtlich tätigen Partnerschaftsvereinen, wie beispielsweise dem VFOS (Verein zur Förderung Oberurseler Städtepartnerschaften e.V.) und dem Hollandausschuss in Stierstadt für die Gestaltung und Entwicklung der Partnerschaften.

Für die Initiative Opferdenkmal e. V. erklärte die erste Vorsitzende Annette Andernacht, dass der 8. Mai in diesem Jahr leider bereits zum dritten Mal im Zeichen des Krieges in der Ukraine steht, und wie wichtig in der aktuellen Situation das Gedenken ist. „Nach dem Zweiten Weltkrieg und in Zeiten des „Kalten Krieges“ war der Aufbau von Städtepartnerschaften eine große Leistung und die Beziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der verschiedenen Städte sind auch heute noch eine Basis für den Frieden. In Oberursel wird das Motto – engagiert, tolerant und weltoffen –  weiterhin gelebt.“

Am Ende der Gedenkstunde legten Bürgermeisterinnen Runge und Bonsen-Lemmers, Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler und viele Bürgerinnen und Bürger Blumengebinde am Opferdenkmal nieder.

 


Antje Runge

Bürgermeisterin


Das Foto (Quelle: Stadt Oberursel) zeigt v. l. n. r. Stadtverordnetenvorsteher Lothar Köhler, Bürgermeisterin Antje Runge und Bürgermeisterin Monique Bonsen-Lemmers aus Ursem.