Fußverkehr ist Basismobilität


Repräsentative Erhebungen zeigen, dass von der Gesamtbevölkerung innerhalb Oberursels (Binnenverkehr) 36 %, im Gesamtverkehr 24 % aller Wege zu Fuß zurückgelegt werden. In einzelnen Bevölkerungsgruppen, beispielsweise bei älteren Menschen, Kindern und Jugendlichen, sind die Werte teilweise deutlich höher. Hinzu kommen viele, vor allem kleinräumige Fußwege als Teil einer Wege- und Fahrtenkette, das heißt, jede Person legt zumindest einen Teil ihrer Wege immer auch zu Fuß zurück. Gehen bedeutet neben der reinen Fortbewegung auch Erleben von Stadträumen. Bestandteil der Mobilität aller ist auch die Ermöglichung körpergerechter und rollengerechter Mobilität für alle sozialen Gruppen. Die Sicherstellung sozialer Kontakte ist maßgebend und erfordert eine konsequente Anwendung von Standards, insbesondere für Kinder und ältere Menschen oder Mobilitätseingeschränkte.

Im Bau-, Umwelt- und Klimaschutzausschuss am 14. Juni 2023 wurde das erarbeitete Fußverkehrskonzept vorgestellt, mit dem die Stadt Oberursel konsequent diese Verkehrsart stärken möchte.

 

Umfassender Beteiligungsprozess

„Um ein attraktives, sicheres und inklusives Angebot für alle Menschen zu erhalten, ist die Kenntnis der unterschiedlichsten Bedürfnisse elementar. Deswegen haben wir bei der Erarbeitung sehr großen Wert auf eine umfassende und niedrigschwellige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und der Ortsbeiräte gelegt. Niemand kennt seinen Stadtteilbesser, als die Menschen, die dort leben“, erläutert Bürgermeisterin Runge den Anspruch an das Konzept. Die Beteiligung stützte sich auf drei Säulen: Im Arbeitskreis Fußverkehr haben Akteurinnen und Akteure der Stadtgesellschaft (Fuß e.V., fokus O, ADFC, VCD, Stadtschülerrat, Blinden- und Sehbehindertenverband, Beauftragte für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung, Stadtelternbeirat, Kinderbüro, Bau & Service Oberursel, Wirtschaftsförderung, Stadt- und Verkehrsplanung, Umweltabteilung) den Prozess kritisch begleitet und Inhalte vorbereitet und abgestimmt.

Auf insgesamt sechs, jeweils gut drei Kilometer langen Stadtspaziergängen wurden mit den Ortsbeiräten und Bürgerinnen und Bürgern Problemstellen identifiziert, Lösungsideen erarbeitet sowie Wünsche zur Umgestaltung an das Fußwegesystem erarbeitet. An den Spaziergängen haben jeweils zwischen 14 und 18 Menschen teilgenommen.

Über einen Monat (Mitte Juni bis Mitte Juli 2022) haben 217 Personen (insgesamt 250 Meldungen) auf der extra eingerichteten Onlineplattform ihre Hinweise zu Mängeln und Qualitäten zum Fußverkehr gemeldet. Konkret verortet, teilweise mit Bildern versehen, liefern die Meldungen eine wertvolle Grundlage für die Konzeption. „Ich bedanke mich an dieser Stelle nochmals bei allen Mitwirkenden für das Engagement“, macht Antje Runge die Wichtigkeit von Beteiligung und Dialog nochmals deutlich.

 

Licht und Schatten

Im Beteiligungsprozess wurden unter anderem die folgenden Mängel aus Sicht von zu Fuß Gehenden genannt:

  • Fußwege wurden oft mit Hindernissen zugestellt, werden als zu schmal oder schlecht einsehbar empfunden, was zusammen mit unsicheren oder fehlenden Querungs-möglichkeiten das Zufußgehen unattraktiv macht. Als Hindernisse wurden sehr deutlich auf Gehwegen parkende PKW, Mülltonnen und in die Gehwege ragender Bewuchs genannt. Die Mängel treten in unterschiedlicher Intensität in allen Oberurseler Stadtteilen auf.
  • Genannt wurden häufig für zu Fuß Gehende unattraktive Ampelschaltungen, insbesondere zu lange Wartezeiten bis zur Freigabe (grün) sowie zu kurze Grünzeiten, so dass langsamer gehende Menschen nicht mehr sicher queren können.
  • Auch niedrige Aufenthaltsqualität beschäftigt die Menschen: Sehr häufig wurden fehlende Verweilflächen und Sitzmöglichkeiten sowie fehlende Klimakomfortzonen (Schatten, Wasser) bemängelt. Mit der zunehmenden Zahl an Hitzetagen wird diesem Thema eine noch stärkere Bedeutung zugemessen. Ebenfalls in den Bereich der Klimawandelanpassung sind die häufigen Nennungen zu fehlenden Wasserspendern bzw. Trinkwasserbrunnen zu nennen.
  • Für viele Menschen sind (saubere) öffentliche Toiletten ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal, welches häufig genannt wurde.
  • Positiv bewertet werden die Oberurseler Möglichkeiten zu ruhigen Spaziergängen und der Naherholung am Stadtrand sowie die Vielzahl an „Schleichwegen“ in der Stadt. Ebenso positiv bewertet wurde die bereits sehr weit fortgeschrittene Barrierefreiheit an den Haltestellen des ÖPNV.

 

Qualitätsstandards und Zielnetz

Das Fußverkehrskonzept enthält die Vision eines Fußverkehrsnetzes, das alle wichtigen Ziele des Alltagsverkehrs berücksichtigt und vorhandene sowie absehbare zukünftige Quelle-Ziel-Verbindungen ermöglicht. Dafür wurden die vorhandenen Wege klassifiziert als Fußwegeachsen, die auch über die einzelnen Stadtteile hinaus Bedeutung haben (Fußwege 1. Ordnung), sowie Hauptfußwege, die der Erschließung wichtiger Ziele auf Stadtteilebene dienen (Fußwege 2. Ordnung). Nachbarschaftswege (Fußwege 3. Ordnung) ergänzen das Netz.

Für die einzelnen Kategorien wurden auf Basis der geltenden Regelwerke und dem Stand der Wissenschaft und Technik Qualitätsstandards festgelegt. Diese beinhalten unter anderem Vorgaben zu Direktheit, Breite, Barrierefreiheit und objektiver sowie subjektiver Sicherheit. So sollen beispielsweise Fußwegeachsen eine Gehwegbreite von mindestens 2,50 Metern aufweisen, vollständig barrierefrei sein, vom Radverkehr getrennt geführt und von geparkten PKW und anderen Hindernissen freigehalten werden.

 

Umsetzung und Finanzierung

Das Konzept wurde im Bau-, Umwelt- und Klimaschutzausschuss mit nur einer Gegenstimme beschlossen – von einer Zustimmung in der Stadtverordnetenversammlung am 29. Juni 2023 ist auszugehen.

Die Umsetzung soll in mehreren Schritten geschehen. Aus den identifizierten Mängeln wurde eine Liste an Sofortmaßnahmen erstellt, die von den Ortsbeiräten nochmals gesichtet, geprüft und priorisiert wurde. Die ersten Maßnahmen sollen noch in diesem Jahr umgesetzt werden und umfassen unter anderem Querungshilfen, Gehwegabsenkungen, das Aufstellen von Bänken und anderen Sitzgelegenheiten sowie einen konsequenteren Grünschnitt, so dass Gehwege nicht eingeengt werden. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt in allen Stadtteilen gleichermaßen.

Aufwändigere Maßnahmen, die separate Beschlüsse der politischen Gremien erfordern, sollen bis 2027 umgesetzt werden können. Dafür und für begleitende kommunikative Maßnahmen wird die Verwaltung einen entsprechenden Fahrplan erarbeiten. Bürgermeisterin Runge resümiert: „Mit dem Beschluss zum Fußverkehrskonzept haben wir einen wichtigen Schritt getan. Ich bin zuversichtlich, dass die Umsetzung unsere Stadt nachhaltiger, lebenswerter und zukunftsfähiger für alle machen wird.“

 

Antje Runge

Bürgermeisterin